Streß in der Kindheit kann Allergien verursachen

Obwohl das Allergierisiko steigt und auch die Bandbreite an Allergien immer weiter zunimmt, steht das Thema: “Allergien” immer noch ganz unten auf der Prioritätenliste in der medizinischen Grundversorgung.

 Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) hat zum Thema Allergieentstehung am 23.06.08 nachfolgenden Artikel im Umweltlexikon veröffentlicht: „Streß in der Kindheit erhöht Allergierisiko“

Ein Umzug oder die Trennung der Eltern kann bei Kindern das Risiko deutlich erhöhen, später an einer Allergie zu erkranken. Das geht aus einer Langzeitstudie über Zusammenhänge zwischen Lebensstil, Immunsystem und Allergien hervor, die vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig (UFZ), vom Helmholtz Zentrum München und vom Institut für umweltmedizinische Forschung (IUF) in Düsseldorf geleitet wird.

Die Forscher hatten Blutproben von 234 sechsjährigen Kindern untersucht und im Zusammenhang mit Umzug oder Trennung der Eltern erhöhte Blutkonzentrationen des Stresspeptides VIP (Vasoaktives intestinales Peptid) gefunden. Der Botenstoff VIP aus der Gruppe der Neuropetide könnte eine Vermittlerrolle zwischen Stressereignissen im Leben und der Immunregulation einnehmen, schreiben die Forscher im Fachblatt Pediatric Allergy and Immunology.

Dass Stressereignisse einen Einfluss auf die Entwicklung von allergischen Krankheiten haben können, war bereits länger bekannt. Die zugrunde liegenden Mechanismen galten aber lange Zeit als ungeklärt. In der jetzt veröffentlichten Studie wurden erstmals Stressereignisse in den frühen Lebensjahren innerhalb einer großen epidemiologischen Studie mit Hilfe von Immunmarkern und Neuropeptiden untersucht.

Stressereignisse in der Kindheit stehen zunehmend im Verdacht, eine große Rolle bei der späteren Entwicklung von Asthma, Hautkrankheiten oder allergischen Sensibilisierungen zu spielen. Dramatische Lebensereignisse wie der Tod eines Angehörigen, schwere Erkrankungen eines Familienmitgliedes oder die Trennung der Eltern, aber auch harmlose Ereignisse wie beispielsweise ein Umzug stehen im Verdacht, das Allergie-Risiko bei betroffenen Kindern zu erhöhen.

Offenbar spielt das Immunsystem eine Vermittlerrolle zwischen Stress auf der einen Seite und allergischen Krankheiten auf der anderen Seite. Da diese Mechanismen bisher kaum verstanden worden sind, versuchten die Forscher im Rahmen einer epidemiologischen Studie (LISA), stressbedingte Faktoren mit Einfluss auf das Immunsystem zu identifizieren. Parallel zu Blutuntersuchungen analysierten die Forscher gemeinsam mit Kollegen vom Institut für Sozialmedizin der Universität zu Lübeck auch verschiedenste soziale Faktoren im Umfeld der Kinder, um auslösende Faktoren für stressbedingte Fehlregulationen des Immunsystems herauszufinden.

Bei Kindern, deren Eltern sich innerhalb des letzten Jahres getrennt hatten, fanden die Forscher erhöhte Blutkonzentrationen des Neuropetides VIP (Vasoaktives intestinales Peptid) sowie erhöhte Konzentration von Immunmarkern, die mit der Auslösung allergischer Reaktionen verbunden sind, wie das Zytokin IL-4. Schwere Krankheiten oder der Tod von nahen Verwandten führten dagegen zu keinen auffälligen Veränderungen.

Auch Arbeitslosigkeit der Eltern war nicht mit erhöhten Stresspeptidkonzentrationen im Blut der Kinder assoziiert. So tragisch diese Ereignisse auch sind, offenbar sind sie jedoch für die Stressreaktionen von Kindern von geringerer Bedeutung als beispielsweise eine Trennung oder Scheidung der Eltern, schlussfolgern die UFZ-Forscher. Wie bereits in einer frühen Arbeit aus der gleichen Studie gezeigt wurde, können auch nach einem Umzug (ebenso wie bei Trennung der Eltern) erhöhte Konzentrationen des Stresspeptides VIP im Blut der Kinder nachgewiesen werden.

Vorangegangene Untersuchungen in LISA zeigten, dass es einen Zusammenhang zwischen einer erhöhten Konzentration u.a. des Neuropeptides VIP und allergischen Sensibilisierungen bei sechsjährigen Kindern gibt. Auch wenn die Ergebnisse wegen der vergleichsweise geringen Anzahl an betroffenen Kindern vorsichtig interpretiert werden sollten, so geben sie doch wertvolle Hinweise darauf, was genau durch Stress im Körper passiert.

Den Untersuchungen liegen Daten 6-jähriger Kinder der LISA-Studie zugrunde. LISA steht für „Lifestyle – Immune – System – Allergy“ und untersucht Einflüsse des Lebensstils auf das Immunsystem und die Entstehung allergischer Erkrankungen bei Kindern. Neben dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig (UFZ), dem Helmholtz Zentrum München und dem Institut für umweltmedizinische Forschung (IUF) in Düsseldorf sind weitere universitäre und klinische Partner beteiligt, unter anderem das städtische Klinikum „St. Georg“ in Leipzig. Für die LISA-Studie wurden zwischen Ende 1997 und Anfang 1999 über 3000 neugeborene Kinder in den Städten München, Leipzig, Wesel und Bad Honnef rekrutiert. Die Eltern wurden wiederholt zu verschiedenen familiären und gesundheitlichen Parametern befragt. Zusätzlich erfolgten Blutuntersuchungen zu verschiedenen Zeitpunkten. Im sechsten Lebensjahr wurden insgesamt 565 Kinder in Leipzig untersucht, bei 234 Teilnehmern wurden Blutanalysen zu Neuropeptiden und Immunparametern durchgeführt.

Im Laufe der 6-Jahres-Untersuchung war fast ein Drittel der Leipziger Studienfamilien von Arbeitslosigkeit betroffen. Bei etwa der Hälfte aller Familien traten schwere Erkrankungen naher Angehöriger auf. Todesfälle bei Angehörigen oder die Trennung der Eltern betrafen dagegen nur jedes sechste bzw. zehnte Kind.

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Einmal mehr wird daraus ersichtlich, dass unsere „modernen Lebensbedingungen“ mit häufigen Wohnort- und Partnerwechseln dazu beitragen, ernsthaft zu erkranken. Weitere Risikofaktoren sind unsere heutige Fast-Food-Ernährung mit einem hohen Anteil an industriell verarbeiteten Lebensmitteln und künstlichen Zusatzstoffen und zuviel Hygiene im Haushalt.

Lesen Sie zu diesem Thema auch die Artikel: „Allergien, ganz unten auf der Prioritätenliste in der medizinischen Grundversorgung“ und „Trockenfrüchte – Konservierungsstoffe auf dem Prüfstand“ auf dieser Internetseite.

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Quellen/Literatur:

http://www.umweltlexikon-aktuell.de/fp/archiv/RUBgesundheitarbeitsplatz/Allergie.php

http://www.ufz.de/index.php?de=16934

Ein aktuelles Buch zu dem Thema:

– „Die Joghurt Lüge, die unappetitlichen Geschäfte der Lebensmittelindustrie“ von Marita Vollborn und Vlad D. Georgescu, Bastei Lübbe Taschenbuch, Verlagsgruppe Lübbe, 2008, 336 Seiten

Zusammenfassung:

Eigentlich eine Erfolgsgeschichte: Hunger ist in unserer Gesellschaft kein Thema mehr. Nahrungsmittel sind ausreichend und günstig zu haben. Moderne Lebensmittel sollen uns gesund halten, schmecken und für wenig Geld zu haben sein, so lautet das Versprechen der Nahrungsmittelindustrie — ist da eine Vision in Erfüllung gegangen? „Doch der Schein trügt“, schreiben Marita Vollborn und Vlad D. Georgescu. „Was im Handel wenig kostet, fordert an anderer Stelle seinen Tribut.“ Und den zahlen andere, betonen die Autoren: – Die kleinen Landwirte, die unter dem Preisdruck der Discounter ächzen und nicht selten ihre Existenz aufgeben müssen. – Die Verbraucher, die mit den modernen Lebensmitteln ihre Gesundheit und Psyche gefährden. – Und letztlich die Gesellschaft, die die Folgekosten einer aus dem Lot geratenen Ernährungsweise zu tragen hat. Diese dunkle Seite der Erfolgsstory von den billigen Nahrungsmitteln ist das Thema des Buches:“Die Joghurt-Lüge“. Es will „die Mechanismen der Industrie offen legen und den Blick ins „Eingemachte“ erlauben“, so die Autoren. Das gelingt vollauf. Zahlreiche Beispiele zeigen, wie weit die Entwicklung hin zum synthetischen Industrie-Food bereits fortgeschritten ist. Prominentestes Beispiel: Der Erdbeerjoghurt, dessen „Fruchtstücke“ niemals Kontakt mit einer Erdbeerstaude hatten, sondern rein synthetisch hergestellt wurden. Die Joghurt-Lüge.

Über die Autoren:

Marita Vollborn und Vlad D. Georgescu sind freie Wissenschafts- und Medizinjournalisten und schreiben unter anderem für Spiegel Online, Financial Times Deutschland, Focus und die Süddeutsche Zeitung. Marita Vollborn war als Lebensmitteltechnologin für einen internationalen Konzern tätig. Vlad D. Georgescu beschäftigte sich als Chemiker mit Nachweisverfahren für Schadstoffe und Belastungssubstanzen. Weitere Veröffentlichungen sind „Prima Klima“, „Brennpunkt Deutschland“, „KonsumKids“ und „Die Gesundheitsmafia“.

Dr. Heike Jürgens

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